Exposé
Am Anfang waren nur Dunkelheit, Leere und Stille. Dann kam Homo sapiens, und
es wurde heller, voller und lebhafter.
Gott der Herr erschuf den Kosmos, die Welt und den Menschen. Mit einem frei
interpretierten, aber durchaus naheliegenden Auszug aus der Schöpfungsgeschichte
beginnt der Satireband, der „Gottes Ebenbild auf Erden“ mit einer Reihe von kleinen
Geschichten auf die Schüppe nimmt. Es geht um menschliche Schwächen,
Unzulänglichkeiten und Verrücktheiten, in der Partnerschaft, in der Familie, im Bekannten-
und Verwandtenkreis sowie in der Nachbarschaft. Dabei wird einleitend zu jeder
Geschichte oder in jeder Geschichte Bezug genommen auf das Buch der Bücher, die
Bibel, sowie auf das Leben im Garten Eden. Es handelt sich dabei im allgemeinen nicht um
ernsthafte Bezüge und auch nicht um konkrete Textstellen, sondern fast immer darum,
dass das, was der Mensch denkt, glaubt, hofft, plant oder tut, mit der Heiligen Schrift nur
selten kompatibel ist, weil die „Krone der Schöpfung“ seinen Alltag eben auf der Erde
bewältigen muss und nicht unter paradiesischen Zu- und Umständen. Zwei Beispiele dafür:
Die erfolgreichste Schrift aller Zeiten ist die Bibel. Allerdings hatten die Verfasser
den unbestreitbaren Vorteil, dass ihnen der himmlische Vater selbst die Feder führte.
Welchen Autoren der Gegenwart wird dieses Privileg schon zuteil?
Dann folgt die Geschichte „Der erfolgreiche Schriftsteller“.
Die Zeiten haben sich geändert seit der Erschaffung des Menschen. Das ist bei-
spielsweise das Herstellungsverfahren, bei dem Lehm und Wasser nur noch selten
eine Rolle spielen. Durchaus eine angenehme Entwicklung übrigens, wenngleich
häufig mit schwerwiegenden Folgen verbunden: Ehe und Familienleben.
Dann folgt die Geschichte „Wir müssen heiraten“.
Das Büchlein begleitet in 29 kurzen Episoden, auf insgesamt 128 Seiten (im A5-
Taschenbuchformat), den Verfasser und liebenswerte, komische und schrullige, in jedem
Falle aber sehr lebendige Personen aus seiner nahen, fernen und noch ferneren
Umgebung. Am Schluss zeigt uns ein Interview mit dem Leibhaftigen, dass seit den
Anfängen der Göttlichen Schöpfung so manches daneben gegangen ist und vermutlich
zukünftig noch so manches danbeben gehen kann.
Leseprobe
Ein Zacken aus der Krone
Gottes Ebenbild auf Erden. Eine satirische Bestandsaufnahme.
Frank Solberg
Am Anfang waren nur Dunkelheit, Leere und Stille. Dann kam Homo sapiens, und es wurde heller, voller und lebhafter.
Der sechste Tag
Gott, der Herr, muss einen rabenschwarzen Tag erwischt ha- ben, als er den Menschen erschuf. Es war an einem Freitag, womöglich einem 13., nach Dienstende, als ihm siedendheiß einfiel: „Du lieber Himmel (oder so ähnlich), da hätte ich doch beinahe die Krone der Schöpfung vergessen.“ Und vorbei war's mit der Wochenendstimmung.
Der Herr erhob sich von seinem Liegestuhl unter einer schatti- gen Palme und wanderte grübelnd im Garten Eden umher. Aber so sehr er sein Hirn auch marterte, die rechte Idee wollte ihm nicht kommen, hatte er doch fünf harte Arbeitstage hinter sich. Er fühlte sich etwas ausgebrannt.
„Es muss etwas außergewöhnliches sein“, sinnierte er, „etwas, das mir so leicht keiner nach macht.“ Er überlegte lange. Der Abend kam, die Nacht ging vorüber, und er schritt immer noch rastlos im Paradies auf und ab.
Doch plötzlich, in der Morgendämmerung, kam ihm die Er- leuchtung. „Halleluja! Ich mache ein Abbild von mir.“ Und so nahm das Unheil seinen Lauf.
Er holte Lehm, Wasser, und was man sonst noch so braucht, und begab sich ans Werk. Er mischte, knetete, formte und glätte-
te. Dann blies er der irdenen Figur, die unter seinen Händen ent- standen war, den Odem des Lebens in die Nase und fertig war der Mensch. Wohlgefällig betrachtete er das Ergebnis, das schlafend vor ihm auf dem Boden lag, und er befand es gut gera- ten.
Just in diesem Augenblick rauschte eine hell leuchtende Ge- stalt mit irrsinnigem Flügelschlag vorbei. Es war Lucifer, erst wenige Jahrtausende zuvor zum Erzengel avanciert. Er galt als
der beste und gleichzeitig verwegenste Flieger der Sonder-
einsatzstaffel der himmlischen Heerscharen. Obendrein war er als Wortführer einer kritischen Minderheit bekannt und gefürch- tet.
„Halte ein“, rief der Allmächtige dem Engel zu. „Wie oft schon habe ich dich gebeten, diese Tiefflüge zu unterlassen. Das schadet der Umwelt. Komm her zu mir und sieh, was ich erdacht und vollendet habe.“
Lucifer unterbrach seine Flugübung, drehte elegant noch eine Platzrunde und gab dann eine seiner berühmten Punktlandungen zum Besten.
„Es ist Adam“, erklärte Gott der Herr und ein Unterton von Stolz schwang mit, als er fortfuhr. „Er ist der Mensch, das Non- plusultra dessen, was ich in dieser Woche geleistet habe.“
Der Erzengel begutachtete das angepriesene Wesen neugierig und ausgiebig von allen Seiten. „Ein Prototyp“, stellte er dann sachkundig fest. „Ganz hübsch soweit, aber wo ist der Clou?“
Der Herr runzelte die Stirne. „Immerhin“, entgegnete er, „er ist ein Bild, das mir gleicht.“
„Gewiss, gewiss“, beeilte sich Lucifer zu versichern, „eine
Ähnlichkeit ist durchaus vorhanden. Aber er trägt keinen Bart.“
„Der wird ihm schon noch wachsen“, brummte der Schöpfer.
„Sonst fällt dir nichts auf?“
Lucifer dachte nach. „Er bewegt sich nicht“, konstatierte er. Die Stimme des Herren klang eine Spur ungeduldiger: „Na-
türlich, ich habe ihn ja gerade erst hergestellt, er befindet sich noch in der Narkose.“
„In was befindet er sich?“, fragte Lucifer erstaunt.
„Ja, ja, schon gut“, der Herr winkte ab, „das kannst du nicht wissen. Es handelt sich um eine Betäubung, eine Art künstliche Bewusstlosigkeit.“
„Sehr interessant“, bemerkte Lucifer, „und wie hast du das angestellt?“
Der Herr wurde ungehalten. „Das, mein Lieber, bleibt mein Geheimnis, es ist auch nicht so wichtig. Entscheidend ist allein, was er kann, und was ich mit ihm vorhabe.“
„Und was wäre das, oh Herr?“, fragte der Erzengel artig, wäh- rend seine Gedanken noch um den künstlichen Tiefschlaf und die damit verbundenen Möglichkeiten kreisten.
Jetzt war der Allvater in seinem Element. „Er wird sehen, hö- ren und reden können. Außerdem“, er machte eine künstliche Pause, um die Wirkung der nun folgenden Worte zu unterstrei- chen, „außerdem, und das wird ihn auszeichnen, ist ihm die Ga- be des Denkens verliehen.“
Lucifer, der Engel des Lichts, schwieg. „Es hat ihm glatt die Sprache verschlagen“, mutmaßte der Allwissende und wie, um noch eins drauf zu setzen, fügte er hinzu. „Ich werde ihm die Erde untertan machen und gebe das Paradies in seine Obhut.“
Der Erzengel reagierte. „Endlich jemand, der den Garten in Ordnung hält“, bemerkte er trocken und ein Anflug von Ironie war unüberhörbar.
„Na, und?“, Gott, der Herr, war gekränkt. „Was ist so ver- kehrt daran? Es sieht ohnehin alles etwas verwildert aus. Er wird den Rasen mähen, die Büsche schneiden, die Bäume stutzen, naja, was eben so anfällt.“
„Und er könnte auch das Obst ernten“, ergänzte Lucifer, scheinbar arglos. „Vor allem die Äpfel müssten dringend ge-
pflückt werden.“
„Nichts da“, donnerte der Herrgott, „diese Früchte sind und bleiben verboten. Wenn er vom Baum der Erkenntnis nascht, wird er gefeuert.“
Der Erzengel hob besänftigend die Hände. „Verzeih, oh Herr, die Sache mit den Äpfeln hatte ich vergessen.“ Er überlegte ei- nen Moment. „Glaubst du nicht“, fragte er dann, „dass er sich vielleicht einsam fühlen könnte? So ganz allein. Er ist schließ- lich der einzige seiner Sorte.“
„Mhm“, der Herr strich nachdenklich über seinen Bart. „Da ist was dran, aber warten wir's ab. Vielleicht, wenn er sich be- währt, mache ich noch ein zweites Exemplar.“
Lucifer's Wissensdurst war noch nicht gestillt. „Sage mir bitte noch eines, mein Schöpfer“, und dabei strich er liebevoll über seine prächtigen weißen Flügel. „Kann er auch fliegen?“
„Unsinn“, Gott, der Herr, wurde barsch. „Blanker Unsinn. Er ist ein Mensch und kein Vogel. Wenn ich gewollt hätte, dass er fliegt, dann hätte ich ihn entsprechend ausgestattet. Er wird dir also keine Konkurrenz sein.“
Dann drehte er sich abrupt um. „Und nun geh mir aus den Augen.“ Plötzlich wirkte er müde. „Ich muss mich ausruhen. Es war doch wohl alles ein bisschen viel in diesen Tagen.“
„Nichts für ungut“, Lucifer neigte demütig sein Haupt. „Ich habe dich nicht erzürnen wollen.“ Aber Gott hörte ihm schon
nicht mehr zu.
„Der Alte Herr wird auch immer seltsamer“, dachte Lucifer.
„Das ihm bloß kein Zacken aus der Krone bricht. Was kann schon ordentliches dabei herauskommen, wenn man samstags Überstunden macht? Obwohl“, er startete mit einem Affenzahn (der Begriff „Höllentempo“ war noch nicht Sprachgebrauch),
„die Idee mit dem Menschen ist so schlecht nicht. Man wird ihn unbedingt im Auge behalten müssen.“
„Ein respektloser Kerl dieser Lucifer“, dachte der Herr bei sich. „Nicht unintelligent, einige seiner Anregungen sind durch- aus brauchbar. Trotzdem, er wird immer aufsässiger und leider ist er eine Spur zu eitel. Man wird ihn unbedingt im Auge behal- ten müssen.“
Circulus vitiosus
Als Lucifer sich wider den Herrn erhob, schlug dieser ihn mit Verdammnis. Und Gott sprach: „Du sollst verflucht sein in alle Ewigkeit und du wirst in der Finsternis wohnen und du wirst nicht mehr im Lichte sein, denn du bist das Böse und die Ver- werflichkeit.“
Seit seinem Sturz in das Reich der Dunkelheit, ist der Ex- Erzengel viel beschäftigt und permanent auf Reisen. Es ist höl- lisch schwer, an ihn heranzukommen, geschweige denn, ihn zu einem Gespräch zu bewegen.
Vor kurzem ist es mir nach großen Anstrengungen endlich ge- lungen, ihn zwischen zwei Terminen zu erwischen und ein Vier- telstündchen mit ihm zu plaudern. Nachstehend finden Sie die ungekürzte, autorisierte Fassung dieses außergewöhnlichen und aufschlussreichen Interviews.
ICH: Zunächst einmal, Euer Schlechtigkeit, möchte ich sie fra- gen, welche Anrede sie bevorzugen?
ER: Schon recht so. Sie dürfen aber auch Fürst zu mir sagen. ICH: Wie lautet denn eigentlich ihr offizieller Name? Es sind ja
Dutzende im Gebrauch, z. B. Teufel, Satan, Gottseibeiuns, Diabolus, um nur einige zu nennen.
ER: Ich heiße Lucifer, immer noch. Andere Bezeichnungen werden aber sehr wohl akzeptiert, insbesondere, wenn sie aus der Furcht oder auch aus der Bewunderung der Leute heraus entstanden sind.
Der Name Teufel, wenn ich das noch anfügen darf, jagt aber heute keinem mehr einen Schrecken ein, weil er mitt- lerweile auch von Menschen getragen wird. So viel ich
weiß, gab es in ihrem Lande einen Kommunarden namens Fritz Teufel und in Baden-Württemberg einmal sogar ei- nen christdemokratischen Ministerpräsidenten. Insofern betrachte ich diesen Namen nicht mehr unbedingt als Re- putation.
ICH: Sie haben sich, Euer Durchtriebenheit, aus kleinen Anfän- gen nach oben gearbeitet. Was war, was ist ihr Erfolgsre- zept?
ER: Wenn ich sie korrigieren darf, wir haben uns nach unten gearbeitet, nach unten, nicht nach oben. Tja, wo liegen die Ursachen für den großen Aufschwung unserer Organisati- on über die Jahrtausende hinweg? Der Einstieg war relativ einfach. Wir waren zwar nur eine relativ kleine Mann- schaft damals, aber es gab ja auch am Anfang nur zwei
und dann etwas später vier Menschen. Auf die konnten wir
uns voll konzentrieren, und so ist es uns eigentlich sehr früh schon gelungen, die Saat zu legen.
Tatsache ist aber, und das muss ich an dieser Stelle einfach mal in aller Deutlichkeit anmerken, dass wir ohne die Un- terstützung der Menschen nicht sehr weit gekommen wä- ren.
ICH: Wie ist das gemeint, Euer Übelkeit?
ER: Nun, als die Menschheit langsam anwuchs, war unser Stab eigentlich nicht mehr groß genug, um alle zu betreuen. Ohne die vielen ehrenamtlichen und freiberuflichen Helfer in allen Kontinenten, hätten wir nur einen Bruchteil des Leides, der Not, der Gemeinheit und der Gewalt in die Welt bringen können.
Das Geheimnis liegt also eindeutig in der Überzeugung begründet, dass der Einzelne nichts, die Gemeinschaft der Bösen aber alles ist. Wir setzen auf Kooperation. Unsere Philosophie lautet: jeder gegen alle, alle gegen jeden.
ICH: Sie kümmern sich also nicht mehr so sehr um den Einzel- nen, wenn ich sie recht verstanden habe?
ER: Das ist nicht ganz richtig. Die sogenannten kleinen Leute, die Normalbürger sind, zugegeben, nicht die primäre Zielgruppe. Wir gehen strategisch und nach bewährten Marketingmustern vor und bearbeiten in erster Linie VIPs. Das sind Meinungsbildner und Menschen in Vorbildfunk- tionen. Wenn wir die in der Tasche haben, dann ist der Weg zur großen Masse der Klienten geebnet.
ICH: Viele Menschen, Euer Niedertracht, haben sich ein be- stimmtes Bild von ihnen gemacht. Sie sehen sie als ein Wesen mit Hörnern, einem langen buschigen Schwanz und dem berühmten Pferdefuß. Aber diese äußerlichen Merk- male, die sie sofort als Höllenfürst ausweisen würden,
kann ich an ihnen nicht entdecken.
ER: Das war einmal, mein Schlechter, aber das ist vorbei. Im Mittelalter da war das noch das adäquate Outfit, heute ist das nicht mehr zeitgemäß. Wir haben uns rechtzeitig ange- passt, sind moderner geworden und das gilt nicht nur für die Gestalt und das Aussehen. Ich jedenfalls bin optisch nicht von einem normalen Kriminellen oder Politiker zu unterscheiden, wie sie bereits so festgestellt haben.
ICH: Ist das Arbeiten für sie heute leichter als früher oder ist es schwerer geworden, Euer Boshaftigkeit?
ER: Sowohl als auch. Eines der großen Hemnisse der Frühzeit war die Angst der Menschen vor grausamer Bestrafung, Folterung, Verbrennung usw. Dieser Abschreckungsme- chanismus ist, zumindest in der zivilisierten Welt, weitge- hend abgebaut. Positiv ist auch die moderne Technik, ins- besondere die weltumspannende Kommunikation mit In- ternet und Fernsehen, die Gräueltaten, Unzucht und Ver- brechen in Sekundenschnelle um den Globus tragen. Der
Drang der Menschen zur Nachahmung tut hier ein Übri- ges. Insofern ist manches leichter geworden. Andererseits haben diese Medien auch negative Auswir-
kungen, wenn sie etwa an die Möglichkeiten zum Aufruf für Hilfsaktionen denken. Ein kleiner Krieg, eine Flutkata- strophe, ein hübsches Massaker irgendwo auf der Erde und spätestens am nächsten Tag laufen die Spendenkonten der Sparkassen und Banken über. Hier bleibt uns nur ein Trost und zwar in Gestalt der internationalen Hilfsorganisatio- nen, die sich vielfach nicht grün sind, so dass die Unter- stützung, der Hölle sei Dank, oft zu spät, unzureichend
oder gar nicht ankommt.
ICH: Was würden sie rückwirkend als ihre größten Erfolge be- zeichnen, Euer Grausamkeit?
ER: Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Sie müssen bedenken, dass wir seit geraumer Zeit im Einsatz sind und da läppert sich naturgemäß schon einiges zusammen. Aber wenn ich so resümiere und gewichte, dann fallen doch gut ein Dutzend Ereignisse aus dem Rahmen.
ICH: Und welche wären das?
ER: Nun, da ist einmal die Sache mit den ‚verbotenen Äpfeln‘ im Paradies. Das war der Anfang, ohne diesen Vorgang wären wir wahrscheinlich gar nicht ins Geschäft gekom- men. Dann natürlich der Fall ‚Kain und Abel‘, später die Christenverfolgung, die Kreuzzüge, die Heilige Inquisiti- on, der Dreißigjährige Krieg, der ‚große Börsenkrach nebst Weltwirtschaftskrise‘, die beiden Weltkriege im letzten Jahrhundert nebst den vielen militärischen Auseinander- setzungen dazwischen und danach, etwa Korea, Vietnam, Palästina, Irak, Ukraine und Syrien. Zu erwähnen noch Watergate, Tschernobyl, das Doping im Spitzensport so- wie Al-Kaida oder aktuell der IS, der Islamische Staat.
ICH: Was waren ihre größten Rückschläge, Euer Grässlichkeit?
ER: Oh, das waren nicht so sehr viele. Weh getan hat uns zum Beispiel seinerzeit das Auftreten von diesem Martin Lu- ther, obwohl daraus dann doch wieder Zwietracht und Mord entstanden sind. Auch die Einrichtung der UNO und der EU und die Einführung des EURO haben uns anfangs mehr geschadet, als genützt. Gleiches gilt für die Welt- bank, den Atomwaffensperrvertrag und die Entdeckung
des HIV-Virus. In ihrem Heimatland hat uns etwa die Re- form des Paragrafen 175 zunächst großes Kopfzerbrechen bereitet. Aber all diese Schwierigkeiten scheinen weitge- hend überwunden zu sein.
ICH: Und in jüngster Zeit?
ER: Nun, zweifelsohne der Rückzug des Kommunismus und die damit einhergehende Entspannung zwischen Ost und West, wenn man einmal die große politische Linie betrach- tet. Als Folge dieser Erscheinung selbstverständlich die deutsche Einheit, die uns sehr viel zu schaffen gemacht
hat. Sie müssen bedenken, dass da plötzlich – quasi über Nacht – ein Feinbild verschwindet und damit fehlt eine wesentliche Voraussetzung, um Angst, Unruhe und Hass zu erhalten oder zu fördern. Aber die Dinge entwickeln sich nun doch in unserem Sinne wieder etwas günstiger.
ICH: Wie ist ihr Verhältnis zum Himmel heute einzustufen, Eu- er Bösartigkeit?
ER: Die Beziehungen haben sich etwas normalisiert, aber sie sind durchaus noch als gespannt zu bezeichnen. Der Status Quo wird wohl auch erhalten bleiben, dafür sind unsere In- teressen einfach zu unterschiedlich.
ICH: Gibt es denn konkrete Kontakte?
ER: Im Moment nicht. Aber es hat sie gegeben und von Fall zu
Fall wird es sie auch zukünftig geben.
ICH: Denken sie über die Aufnahme diplomatischer Beziehun- gen nach?
ER: Im Augenblick sehen wir keinen großen Sinn in einem solchen Schritt. Außerdem müsste der Anfang von denen da oben gemacht werden. Wir haben in der Vergangenheit häufig genug einen Anlauf unternommen, aber das ist letztlich immer an der großen Arroganz, dem Alleinvertre-
tungsanspruch und der Sturheit der Herrschaften im oberen Stockwerk gescheitert. Nein, wir können warten. Viel- leicht ist die Zeit eines Tages reif, wir werden sehen.
ICH: Wie beurteilen sie ihre Chancen für die nähere Zukunft? ER: Durch die Brille meiner Organisation betrachtet muss ich
sagen, sehr rosig, sehr positiv. Die Welt verfügt derzeit über ein hervorragendes Konfliktpotenzial und allenthal- ben ist der Wille erkennbar, die Probleme nicht unter den Teppich zu kehren, sondern offensiv auszutragen. Auch die zunehmende Verschmutzung und Schädigung der
Umwelt sowie das Drogenproblem geben uns Anlass zur
Hoffnung.
ICH: Welche Ziele und Pläne verfolgen sie in den nächsten Mo- naten und Jahren, Euer Ekelhaftigkeit?
ER: Sie werden verstehen, dass ich hier die Karten nicht auf den Tisch legen kann. Aber speziell für ihr Land, und das dürfte sie am meisten interessieren, hegen wir den begrün- deten Verdacht auf eine deutliche Zunahme des Fremden- hasses wegen der steigenden Flüchtlingszahlen aus dem nahen Osten und aus Afrika. Außerdem muss der deutsche Steuerzahler vermutlich irgendwann für die Schulden der Griechen gerade stehen, eine hochspannende Entwicklung.
ICH: Wie sehen sie Europa insgesamt?
ER: Auch hier bin ich ausgesprochen optimistisch. EU, IWF und die Europäische Zentralbank leisten hier ganze Arbeit, wenn ich an die Desintegration von Griechenland denke, und sie schaffen eine vorzügliche Basis für die wirtschaft- liche und politische Instabilität im EURO-Raum. Nicht zu
vergessen, die Briten und deren famose Austrittspläne aus der EU. Und wenn es gelingen sollte, den Zwist zwischen Putin und dem Westen zu schüren, dann sehen wir glorrei- chen Zeiten entgegen.
ICH: Eine Frage zum Abschluss: Wie sieht es eigentlich in der
Hölle aus?
ER: Darüber, mein Böser, darf ich ihnen aus gegebenem An- lass keine Auskunft erteilen. Das müssen sie schon selber herausfinden. Treten sie unserer Gemeinschaft bei und sie werden es erleben. Als Satiriker bringen sie ohnehin die besten Voraussetzungen mit.
ICH: Euer Schrecklichkeit, ich danke ihnen für dieses Gespräch.